Value is King? Ganz so simpel ist das nicht mehr. Prinzipiell ist es zwar eine gute Idee, in gesunde Unternehmen mit solidem Ertrag und starker Marktstellung zu investieren. Aber moderne Investoren denken weiter.
Ich bin ein Fan des klassischen Value-Ansatzes. Schließlich ist es ja kein Fehler, in Unternehmen zu investieren, die nicht nur kühne Visionen haben, sondern auch langfristig die Versprechen halten, die sie ihren Aktionären machen. Die gute Produkte und Dienstleitungen anbieten, die denen der Konkurrenz überlegen sind. Die nicht unnötig hohe Schuldenberge auftürmen. Die einen soliden Cashflow generieren. Die ihre starke Marktstellung über Jahre oder Generationen hinweg behaupten. Die klug geführt werden und ihre Aktionäre mit hohen Dividenden belohnen, die nicht aus der Substanz bezahlt werden.
Wer wissen will, wie man solche Unternehmen findet, darf gerne das Buch „The Intelligent Investor“ von Benjamin Graham lesen. Das Buch ist 1950 erschienen. Es hat nichts an seiner Gültigkeit verloren. Es sind allerdings einige neue Erkenntnisse dazugekommen. Die Welt hat sich in den vergangenen fast 70 Jahren schließlich doch weitergedreht.
Investieren 2.0: Die Tech-Revolution
Moderne Investoren richten ihre Blicke nicht mehr nur auf Bilanzkennzahlen. Sie erkennen, dass manche Industrien und zuweilen einzelne Unternehmen disruptive Prozesse in der Wirtschaft auslösen und sogar ganze Gesellschaften verändern. Zu diesen Unternehmen gehört beispielsweise das Triple-A der US-Wirtschaft: Amazon, Alphabet, Apple. Fast täglich rücken in ihrem Schatten neue, junge Tech-Werte nach, die mit den klassischen Kennzahlen fundamentaler Unternehmensanalyse kaum realistisch abgebildet werden können. Als Vermögensverwalterin, die das Vermögen ihrer Kunden langfristig sichern und vermehren will, kommt man nicht umhin, hier neue Bewertungsansätze zu finden. Schon deshalb, weil moderne Anleger Tech-Werte im Depot haben wollen. Und das zu Recht: Auch im laufenden Jahr waren die oben genannten Titel bisher die absoluten Outperformer an der Börse.
Investieren 3.0: Die Forderung nach Nachhaltigkeit
Ein weiteres Thema, das immer mehr Anleger, die über den Tellerrand hinausblicken, umtreibt, ist das Thema Nachhaltigkeit. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass Gesellschaften, Industrien und auch einzelne Branchen oder Unternehmen, die mehr Ressourcen verbrauchen als nachwachsen können, auf Dauer nicht überlebensfähig sind. Deshalb verlangen gerade institutionelle Anleger schon länger von den Unternehmen, in die sie investieren wollen, Nachweise darüber, wie nachhaltig diese wirtschaften. Auch private Anleger nehmen dieses Thema immer mehr wahr – je nach Präferenz allerdings mit unterschiedlichem Blickwinkel. Schließlich beschränkt sich Nachhaltigkeit nicht nur auf den „ökologischen Fußabdruck“. Wer von Nachhaltigkeit spricht, meint in der Regel die drei Säulen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, im Englischen abgekürzt als ESG (Environment Social Governance). Die drei Buchstaben sind mittlerweile fester Bestandteil der Investorensprache.
Gerade das Thema Unternehmensführung ist übrigens aktuell immer öfter im Gespräch. Gesellschaftspolitische Aspekte wie der Umgang mit Mitarbeitern und ihre Arbeitsbedingungen spielen bei der Bewertung von Unternehmen mittlerweile eine wichtige Rolle. Das ist gut und richtig so, kann aber zum Unverständnis mancher nachhaltigkeitsinteressierter Investoren in der Bewertung von Unternehmen dazu führen, dass ein Öl-Konzern, der zwar die Ressourcen dieses Planeten ausbeutet, aber seine Mitarbeiter gut behandelt, in manchen ESG-Rankings als nachhaltiges Unternehmen geführt wird.
Für uns als Vermögensverwalter heißt das, dass wir viele Faktoren gleichzeitig im Blick behalten müssen. Denn wenn es darum geht, für unsere Kunden die passenden Investments zu finden, verlassen wir uns nicht auf ETF- oder Fondslösungen. Diese Anlageprodukte bekommt der Kunde von jeder Sparkasse geboten. Wir diskutieren mit unseren Kunden ihre Strategie und suchen die passgenauen Einzelwerte. Dabei berücksichtigen wir, dass keine der drei genannten ESG-Säulen für sich alleine stehen kann. Als Vermögensverwalter achten wir auf ein ausgewogenes Verhältnis im Rahmen der Titelselektion.
Fazit: Wir sehen mit Freude, dass gerade die nachwachsende Anlegergeneration neue Schwerpunkte bei der Kapitalanlage setzt und die offene, kritische und fundierte Diskussion sucht – abseits klassischer Bewertungsansätze und althergebrachter Portfoliostrategien. Es ist ein frischer und moderner Blick auf Märkte und Einzeltitel, der unserer tiefen Überzeugung und unserer Philosophie entspricht. Das Buch von Benjamin Graham legen wir dabei nicht aus der Hand. Aber wir denken weiter.