Digitalisierung: Mehr Zeit fürs
Wesentliche

Wir Vermögensverwalter betreiben ein sehr persönliches Geschäft. Es ist unsere Stärke, dass wir nicht nur fachkompetente, sondern auch empathische Ansprechpartner sind, von denen sich unsere Kunden verstanden fühlen – im wahrsten Sinne des Wortes.

Maschinen können das nicht leisten. Wer auch immer das Wort „Robo-Advisor“ – frei übersetzt „Roboter-Berater“ – erfunden hat, hat nicht verstanden, was Beratung wirklich bedeutet. Nämlich vor allem Zuhören können und verstehen, was das Gegenüber bewegt – und zwar nicht nur auf kognitiver Ebene. Gute und verantwortungsvolle Berater fragen ihre Kunden, ob und wie sie sich mit der einen oder anderen Strategie oder konkreten Vorschlägen wohl fühlen. Nur so kann das Vertrauen entstehen, das die Basis für eine langfristige erfolgreiche Zusammenarbeit bildet. Robo-Advisor dagegen haben kein Bauchgefühl. Und sie fragen auch ihr Gegenüber nicht danach. Eine Multiple-Choice-Auswahl auf einem Computermonitor ist deshalb aus meiner Sicht keine Beratung, sondern für die Anbieter vor allem eine preiswerte Möglichkeit, Standardprodukte zu verkaufen.

Fortschritt durch Digitalisierung – aber richtig eingesetzt

Höre ich mich technikfeindlich an? Das bin ich ganz und gar nicht! Ganz im Gegenteil, ich sehe eine Menge Chancen der Digitalisierung im Bereich der Vermögensverwaltung. Man muss Technik allerdings nicht überall einsetzen, nur weil es möglich ist, sondern gezielt dort, wo sie Vorteile bringt. Und zwar sowohl dem Kunden als auch dem Vermögensverwalter.

Und da fallen mir zuallererst administrative Aufgaben im Back-Office ein. Denn Vermögensverwaltung ist immer noch viel Handarbeit. Wir verwenden viel mehr Zeit aufs Formulare ausfüllen als uns lieb ist. Durch die strengere Regulierung der Finanzbranche ist der Aufwand sogar noch gestiegen. Wenn ich vermeiden will, dass der gestiegene bürokratische Aufwand zulasten der Beratungsqualität geht, benötige ich smarte Lösungen. Deshalb bin ich glühender Anhänger von Software, die uns Standardaufgaben im Büro und im Kontakt mit Banken und Behörden abnimmt und uns im Gegenzug mehr Zeit für guten Service gibt. Zwar kann Software auch im Kontakt mit den Kunden gute Dienste leisten, gerade wenn es um Standardanfragen wie Kontoauszug, Überweisungen oder ähnliches geht – aber eben nicht in der Beratung.

Dort gilt nach wie vor: Das Gespräch unter vier Augen ist immer noch das A und O. Der Vorteil für den Kunden: Er bekommt kein Produkt von der Stange. Vorteil für den Vermögensverwalter: Er erfährt, wie der Kunde tatsächlich tickt. Und er kann durch sein individuelles, auf den jeweiligen Kunden zugeschnittenes Vorgehen auch Profil zeigen. Mein Fazit: Wer den direkten Draht zum Kunden sucht, sollte nicht nur auf Kabel vertrauen.

Immobilienkredit-Richtlinie: falsches Gesetz zur falschen Zeit

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und oft das Böse schafft.“ So oder ähnlich – frei nach Goethes Faust  – fühlt es sich oft an, wenn Politiker neue Ideen zur Finanzmarktregulierung entwickeln. Im schlimmsten Fall setzen sie ihre Ideen sogar um. So geschehen im Frühjahr dieses Jahres. Mit der jüngsten Immobilienkredit-Richtlinie, die am 21. März 2016 in Kraft getreten ist, will der Staat die Kreditvergabe von Banken an Privathaushalte besser steuern. Das ist angeblich gut gemeint. Aber für wen eigentlich?

Diejenigen, die Finanzierungen suchen, laufen immer öfter gegen verschlossene Türen

Gerade junge Familien und ältere Bürger bekommen kaum noch Finanzierungen fürs Eigenheim. Denn bei der Bemessung des Kreditrisikos spielt das Verhältnis von Kredithöhe zum Preis des Kaufobjekts oder gar eine Rentabilität im Vergleich zur Mietwohnung nur noch eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist die Prognose, ob die Kreditnehmer bis zum Laufzeitende des jeweiligen Kredits in der Lage sind, ihre Zahlungen leisten zu können.

Solch eine Prognose ist aus Sicht der Banken de facto ein Blick in die Glaskugel. Lebensläufe sind heutzutage nicht mehr vorherzusehen. Ein nicht abschätzbares Risiko aber bedeutet nach dem neuen Gesetz eine Finanzierungsabsage. Die Konsequenz lässt sich bereits an aktuellen Zahlen ablesen: Einer Umfrage des Bundesverbands Freier Wohnungsunternehmen (BFW) zufolge nehmen 80 Prozent der befragten Immobilienunternehmen die Auswirkungen der verschärften Wohnimmobilienkreditrichtlinie beim Abverkauf wahr. 40 Prozent der Unternehmen berichten von kurzfristigen Absagen der Verbraucher aufgrund eines negativen Kreditbescheides. Sparkassen aus den südlichen Bundesländern berichten, die Kreditvergabe für Immobilien sei teilweise um bis zu 30 Prozent eingebrochen.

Für Banken und Sparkassen ist das neue Gesetz geschäftsschädigend

Gerät ein Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten, kann er gemäß der neuen Immobilienkredit-Richtlinie unter Umständen die Bank verklagen. Diese muss dann beweisen, dass sie den Kredit nicht fahrlässig vergeben hat. Deshalb handeln viele Banken nach dem Motto: Lieber einen Kredit nicht gewähren, als hinterher für ihn haften zu müssen. Folge: Das Geschäftsvolumen geht zurück.

Volkswirtschaftlich macht die Richtlinie überhaupt keinen Sinn

Auf der einen Seite bemüht sich Mario Draghi ernsthaft darum, Geld in den europäischen Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Und auf der anderen Seite behindern die Regulierer mit der Immobilienkredit-Richtlinie die Kreditvergabe. Auf der einen Seite kämpft die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, gegen die drohende Altersarmut vieler Bürger und präsentiert dabei so halbgare Ideen wie das staatliche Aufpeppen der Betriebsrente. Auf der anderen Seite schmeißen die übereifrigen Regulierer Anlegern, die Wohneigentum schaffen wollen, Knüppel zwischen die Beine, anstatt sie bei ihrem Vermögensaufbau zu unterstützen.

Damit mich niemand falsch versteht: Regulierung macht grundsätzlich schon Sinn. Aber man sollte Dinge auch mal zu Ende denken. Und manchmal darf man uns mündigen Bürgern auch zutrauen, Risiken selbst abschätzen zu können. Die Art von Regulierung jedenfalls ist eine Art von Bevormundung, die wir uns sparen sollten, frei nach Mephistopheles: „Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.“