Chaotische Briten, ein immerwütender US-Präsident, ein aufmüpfiges Italien, die transatlantische Zinsschere und eine plötzlich schrumpfende deutsche Wirtschaft: Kein Wunder, dass der DAX schwächelt. Wirklich? Nein! Die Lage ist besser als die Stimmung.
Es wird gerne behauptet, die Börse nehme die Zukunft vorweg. Das stimmt nicht. Wahr ist: Die Börse spiegelt die Hoffnungen und Ängste der Marktteilnehmer wider. Die Börse ist also eher ein Gefühls-Barometer der Erwartungen. Manchmal überwiegt die Angst, manchmal die Hoffnung. Im Moment geht es an der Börse eher abwärts. Viele gehen mit gesenktem Haupt übers Börsenparkett. Doch das sagt nur etwas über die Zukunftsängste der Börsianer aus, nicht über die Fakten selbst.
Denn die Fakten haben sich nicht wesentlich geändert in den vergangenen Monaten. Der Brexit steht schon lange fest, die Unsicherheit darüber, wie er in der Praxis vollzogen wird, ebenfalls. Trump ist kein neuer Name mehr auf der politischen Landkarte. Italien hat sich nicht erst gestern verschuldet, und der angedrohte Haushaltsplan der rechtspopulistischen Regierung in Rom ist zwar komplett unvernünftig. Aber das war schon in den zurückliegenden 50 Jahren so. Auch die US-Notenbank hat ihren Kurs nicht überraschend geändert. Sie erhöht seit dem Jahr 2015 regelmäßig die Leitzinsen in kleinen Schritten. Neu ist nur, dass die deutsche Wirtschaft seit drei Quartalen nicht weiter wächst und der DAX in 2018 den Rückwärtsgang eingelegt hat. Nach zehn Jahren Dauerboom.
Ist jetzt das Ende nahe?
Crash-Propheten haben grundsätzlich Recht. Irgendwann kippt auch mal die beste Stimmung. Die Frage ist nur: wann. Und da ist angesichts der aktuellen Situation und absehbaren Entwicklung wahrlich keine Panikmache angebracht.
Der Reihe nach: In den USA ist der Konsum, der Zweidrittel des Bruttoinlandsprodukts der USA ausmacht, solide. Das Konsumklima ist ausgesprochen gut. Kein Wunder: Die Arbeitslosenquote in den USA ist niedrig, es herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Die US-Wirtschaft profitiert zwar auch vom Einmaleffekt der Trump´schen Steuerreform, doch auch abgesehen davon steht die Konjunktur derzeit auf soliden Füßen. Wer jetzt schreit, „das Ende ist nah“, warnt viel zu früh.
Europa hat mit sich selbst zu kämpfen. Der nahende, vielleicht völlig chaotisch ablaufende, harte Brexit steht vor der Tür. Und wie es mit Italien weitergeht, wagt niemand zu prognostizieren. Anders als in den USA ist die konjunkturelle Lage in Europa eher fragil. Sogar Deutschlands Wirtschaft zeigt derzeit auch mal ihre schwache Seite. Doch gerade diese Unsicherheit in Europa wird dafür sorgen, dass die Europäische Zentralbank weiterhin zögern wird, über erste Zinserhöhungen nachzudenken. Gerade mit Blick auf Italien: Man muss kein Mathematikgenie sein, um sich auszurechnen, dass ein steigendes Zinsniveau zu fatalen Verwerfungen im italienischen Staatshaushalt führen würde. Schon jetzt ist die Rendite italienischer Staatsanleihen spürbar angestiegen. Solange die Italiener mit Euro und nicht wieder mit Lire bezahlen, sind der EZB – das muss man ehrlich konstatieren – deshalb die Hände gebunden.
Alles spricht für europäische Aktien
Grundsätzlich gilt immer noch: Es gibt zu einer Investition in börsennotierte Unternehmen nach wie vor keine wirkliche Alternative. Die einzigen europäischen Staatsanleihen, die derzeit Renditen über der Nulllinie bieten, kommen aus Italien.
Was bleibt also? Aktien! Am besten europäische Aktien. Gerade weil in Europas Währung und Wertpapieren die Worst Case-Szenarien für den Brexit und eine drohende Italienkrise eingepreist sind, ist die Wahrscheinlichkeit für positive Überraschungen hier größer als in den USA. Dort wütet immer noch ein unberechenbarer Präsident Trump, der – wie man im Zusammenhang mit GM gesehen hat – jederzeit für irritierende Schlagzeilen und Verwerfungen an den Kapitalmärkten sorgen kann.
Doch aufgepasst: Blind in passive Index-Instrumente zu investieren, könnte sich als sehr kurzsichtig erweisen. Denn in den Aktien-Indizes verstecken sich auch Risiken. Es gibt derzeit leider zu viele Unternehmen, die nur deshalb noch schwarze Zahlen schreiben, weil sie nur noch aufgrund des niedrigen Zinsniveaus ihre Schulden bedienen können. Diese Unternehmen sind sowohl von der Konjunkturseite als auch von der Zinsseite her äußerst anfällig. Früher oder später werden sie untergehen, und zwar ziemlich schnell, wenn es passiert. Wer hier passiv an der Reling steht, wird höchstwahrscheinlich überrascht und nicht schnell genug einen Rettungsring finden. Das ist eben die Kehrseite passiver Investments.
Gefragt ist deshalb eine Strategie, die diese Risiken im Blick hat, Assets aktiv managt, vorausschauend agiert und die Zombies dabei möglichst weit umschifft. Dazu gehört auch, aus der Flut der Nachrichten die relevanten Informationen herausfiltern zu können und bei Investitionsentscheidungen nicht nur auf die lautesten, schrillen Stimmen zu hören. Wer jetzt mit gesenktem Haupt durch den Börsensaal torkelt, sieht nicht die Chancen.