Die Aktien bewiesen im Sommer eine enorme Stärke. Ist die Korrektur an den Märkten damit bereits beendet? Sehen wir aktuell nur eine kleine Verschnaufpause, um dann zur Jahresendrallye anzusetzen?
Kathrin Eichler verwundert diese Entwicklung, zumindest in Europa. Die Lage an den Börsen ist weiterhin unübersichtlich und mit vielen Fragezeichen behaftet. Die Marktteilnehmer sollten nicht Gefahr laufen, sämtliche Krisen einfach auszublenden.
Auch wenn die Börse oft recht schnell zum Tagesgeschäft übergeht und zumindest politische Krisen gut verarbeitet. Die aktuellen Krisenherde – ob nun politischer oder wirtschaftlicher Natur – sind einfach zu eng miteinander verzahnt, als dass man sicher vorhersehen kann, wann diese überstanden sind.
Der Ukraine-Krieg mit seinen wirtschaftspolitischen Folgen, die hohe Inflation gepaart mit steigenden Zinsen, die Energiekrise, eine mögliche Lohn- Preisspirale sowie das Konfliktpotenzial zwischen China und Taiwan sind weiterhin präsent. All das bremst das Geschäft der Unternehmen. Die zuletzt positiven Geschäftszahlen der Firmen gehören zur Vergangenheitsbetrachtung. Die außerordentlich vielschichtige Gemengelage sorgt für große Unsicherheiten, die die Weltwirtschaft weiter prägen werden.
An den hohen Cashbeständen, die häufig zwischen 20 und 30 Prozent liegen, halten wir aktuell noch fest. In Zeiten steigender Aktienkurse tut dies zwar weh, aber es ist sehr wohl auch eine strategische Entscheidung, am Markt nichts zu tun und die Korrekturen in Ruhe abzuwarten. Allerdings darf man den Aktienmarkt nicht aus den Augen verlieren. Auch in Krisenzeiten gibt es unternehmerische Gewinner, und die Börse bildet nicht die Gegenwart ab, sondern schaut nach vorn. Die Kernfrage heißt also: wann haben wir die vermeintlich attraktiven Einstiegskurse erreicht?
Bei Aktien ist gezieltes Stock Picking angesagt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Firmen mit einer großen Preissetzungsmacht sind in Zeiten hoher Inflation im Vorteil. Sie können die hohen Preise, die sich durch die Lieferengpässe etc. ergeben, an ihre Kunden weitergeben. Aus dem gleichen Grund könnten zudem Unternehmen aus konjunkturunabhängigen Branchen wie Energieversorger und Luxusgüterhersteller wachsen. Darüber hinaus ist ein anderes Kriterium entscheidend: Firmen mit einer hohen Fremdkapitalquote sollte man meiden, denn mit steigenden Zinsen wächst die Zinslast für die Kredite. Daraus können sich geringere Margen ergeben – mit entsprechenden Auswirkungen auf das Geschäft und eben auch deren Aktienkurs.
Ein fester Bestandteil im Aktiensegment ist für uns der amerikanische Markt. Die FED ist mit Ihren Zinsschritten den europäischen Kollegen der EZB weit voraus und wird wahrscheinlich sehr viel früher ihre Zinsanhebungen beenden. Dafür hat sie bisher wesentlich beherzter agiert. Damit schwindet dann auch ein wichtiger Unsicherheitsfaktor für die Aktien. Darüber hinaus profitiert der Anleger über die Stärke des US-Dollar. Allein in diesem Kalenderjahr konnten knapp 12 % Währungsgewinne mit dem Dollar erzielt werden. Und eine Kehrtwende dieser Entwicklung sehen wir so schnell nicht.
Im Anleihesegment bieten sich ebenfalls wieder Chancen. Aufgrund der Leitzinserhöhungen der Notenbanken sind die Kurse der bereits auf dem Markt gehandelten Zinspapiere deutlich gefallen. In speziellen Nischen wie z. Bsp. Nachranganleihen ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um ausgewählte Titel zu kaufen. Aber auch US-Titel sind wieder attraktiv. Man sollte allerdings die Zinsstrukturkurven im Auge behalten und sich entsprechend positionieren. Aufgrund der weiterhin sehr hohen Inflationsraten sind weitere deutliche Zinsschritte zu erwarten.