Der Euro-Rentenmarkt liegt im Koma. Bundesanleihen aller Laufzeiten bieten nur noch negative Renditen. Das ist historisch einmalig. Wer mit Anleihen noch Geld verdienen will, muss kreativer werden.
Spätestens seit der Nominierung von Christine Lagarde zur EZB-Präsidentin ist der letzte Zweifel verflogen, dass die Notenbank-Politik des billigen Geldes in der Eurozone weiter fortgesetzt wird. Mario Draghi hat in seiner letzten Rede in Portugal seiner Nachfolgerin bereits den Teppich für weitere offensive geldpolitische Maßnahmen ausgerollt. Es bedarf keiner prophetischen Kenntnisse, um vorherzusagen, dass der Leitzins in der Eurozone noch lange bei null Prozent verharren, der Einlagezins weiter ins Minus gedrückt und die EZB bald wieder Anleihen kaufen wird.
Für Anleger, die konservativ unterwegs sind und gerne in Anleihen investieren wollen, ist das eine bittere Pille. Von den Sparern, die schon seit Jahren zusehen müssen, wie die Kaufkraft ihrer Guthaben auf Sparbüchern schwindet, wollen wir gar nicht erst reden.
Wer sein Geld heute noch mit einer Netto-Wertsteigerung verzinst haben möchte, kommt deshalb nicht umhin, seinen Blick ein wenig in die Ferne zu richten und vertrautes Terrain zu verlassen. Denn wer sich nur im Euroraum nach Zinsalternativen umsieht, stellt schnell fest, dass mittlerweile selbst Anleihen der C-Kategorie ohne Risikoabschläge gehandelt werden. Im Klartext heißt das: Auch Anleihen von Unternehmen mit vergleichsweise schlechter Bonität sind unverhältnismäßig teuer. Ein Grund dafür ist wohl, dass es in den vergangenen fünf Jahren keine nennenswerten Emittenten-Ausfälle gab. Wenn länger nichts passiert, werden Anleger gerne sorgloser.
Risiko ist jedoch keine Maßeinheit für vergangene Ereignisse, sondern für die Wahrscheinlichkeit, dass in Zukunft etwas nicht so läuft, wie wir es uns wünschen. Und da sollte man die Augen offen halten. Das verarbeitende Gewerbe in Deutschland befindet sich technisch bereits in einer Rezession. Das wird natürlich nicht gleich in den kommenden Monaten zu Ausfällen am Kreditmarkt führen. Aber die niedrigen Zinsen haben auch dafür gesorgt, dass einige Zombie-Unternehmen am Markt sind, die schon jetzt eigentlich nur noch aufgrund der gesunkenen Zinslast überlebensfähig sind. Bei dem einen oder anderen Kandidaten könnte sich ein stärkerer Konjunkturabschwung schneller bemerkbar machen, als manch einem Anleihen-Investor lieb ist.
Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Mit Unternehmensanleihen lässt sich noch Geld verdienen. Aber als Investor muss man die Papiere jetzt aktiver managen. Kaufen und liegen lassen ist keine Option mehr. Als professioneller Anleihen-Investor zielen wir schon seit einiger Zeit mehr auf Kursgewinne als auf Kupon-Renditen. Das ist immerhin eine Tür, die uns die Europäische Zentralbank mit ihrer Niedrigzinspolitik und gegebenenfalls auch mit ihren neuen Anleihekäufen aufmacht. Man muss nur leider klar sagen: Privatanleger sind hier überfordert. An die meisten interessanten Emissionen, die noch positive Renditen und Kurssteigerungspotenzial bieten, kommen Privatanleger kaum heran – schon wegen der Mindeststückelung von oft 100.000 oder 200.000 Euro.
Ein weiteres Feld, das noch nennenswerte Renditen bietet, sind Unternehmensanleihen in ausländischen Währungen. Da kommen Währungen wie US-Dollar, Norwegische Krone, Singapur-Dollar, Kanada-Dollar oder Australische Dollar ins Spiel. Investitionen in Anleihen aus diesen Währungsräumen bieten derzeit im Durchschnitt höhere Renditen als Euro-Anleihen. Dafür bergen solche Investments natürlich auch Währungschancen und -risiken. Wenn man ausschließlich in Euro denkt.
Ein Ausweg aus dieser gedanklichen Beschränkung ist es, für jeden Währungsraum ein eigenes Währungskonto zu führen. Das könnte bei Anlegern auch dafür sorgen, insgesamt internationaler zu denken. Die Weltwirtschaft ist schließlich ein globales Geflecht und Europa nur ein Teil davon. Es kann sich lohnen, nicht nur in Euro zu denken. Und wenn es um Anleihen geht, dann gilt dies derzeit gleich doppelt.