Sommerliches Säbelrasseln

Kim Jong-un möchte Nordkorea zur Atommacht aufrüsten und testet deshalb immer weiter: erstens neue Sprengköpfe und zweitens die Geduld anderer Atommächte. Kurden und Katalanen wollen jeweils einen eigenen Staat und veranstalten entsprechende Referenden. Der Jagd auf den IS folgt völlig übergangslos der Krieg gegen die Kurden, die von der irakischen und türkischen Armee in die Zange genommen werden.  „Sommerliches Säbelrasseln“ weiterlesen

Immobilienkredit-Richtlinie: falsches Gesetz zur falschen Zeit

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und oft das Böse schafft.“ So oder ähnlich – frei nach Goethes Faust  – fühlt es sich oft an, wenn Politiker neue Ideen zur Finanzmarktregulierung entwickeln. Im schlimmsten Fall setzen sie ihre Ideen sogar um. So geschehen im Frühjahr dieses Jahres. Mit der jüngsten Immobilienkredit-Richtlinie, die am 21. März 2016 in Kraft getreten ist, will der Staat die Kreditvergabe von Banken an Privathaushalte besser steuern. Das ist angeblich gut gemeint. Aber für wen eigentlich?

Diejenigen, die Finanzierungen suchen, laufen immer öfter gegen verschlossene Türen

Gerade junge Familien und ältere Bürger bekommen kaum noch Finanzierungen fürs Eigenheim. Denn bei der Bemessung des Kreditrisikos spielt das Verhältnis von Kredithöhe zum Preis des Kaufobjekts oder gar eine Rentabilität im Vergleich zur Mietwohnung nur noch eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist die Prognose, ob die Kreditnehmer bis zum Laufzeitende des jeweiligen Kredits in der Lage sind, ihre Zahlungen leisten zu können.

Solch eine Prognose ist aus Sicht der Banken de facto ein Blick in die Glaskugel. Lebensläufe sind heutzutage nicht mehr vorherzusehen. Ein nicht abschätzbares Risiko aber bedeutet nach dem neuen Gesetz eine Finanzierungsabsage. Die Konsequenz lässt sich bereits an aktuellen Zahlen ablesen: Einer Umfrage des Bundesverbands Freier Wohnungsunternehmen (BFW) zufolge nehmen 80 Prozent der befragten Immobilienunternehmen die Auswirkungen der verschärften Wohnimmobilienkreditrichtlinie beim Abverkauf wahr. 40 Prozent der Unternehmen berichten von kurzfristigen Absagen der Verbraucher aufgrund eines negativen Kreditbescheides. Sparkassen aus den südlichen Bundesländern berichten, die Kreditvergabe für Immobilien sei teilweise um bis zu 30 Prozent eingebrochen.

Für Banken und Sparkassen ist das neue Gesetz geschäftsschädigend

Gerät ein Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten, kann er gemäß der neuen Immobilienkredit-Richtlinie unter Umständen die Bank verklagen. Diese muss dann beweisen, dass sie den Kredit nicht fahrlässig vergeben hat. Deshalb handeln viele Banken nach dem Motto: Lieber einen Kredit nicht gewähren, als hinterher für ihn haften zu müssen. Folge: Das Geschäftsvolumen geht zurück.

Volkswirtschaftlich macht die Richtlinie überhaupt keinen Sinn

Auf der einen Seite bemüht sich Mario Draghi ernsthaft darum, Geld in den europäischen Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Und auf der anderen Seite behindern die Regulierer mit der Immobilienkredit-Richtlinie die Kreditvergabe. Auf der einen Seite kämpft die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, gegen die drohende Altersarmut vieler Bürger und präsentiert dabei so halbgare Ideen wie das staatliche Aufpeppen der Betriebsrente. Auf der anderen Seite schmeißen die übereifrigen Regulierer Anlegern, die Wohneigentum schaffen wollen, Knüppel zwischen die Beine, anstatt sie bei ihrem Vermögensaufbau zu unterstützen.

Damit mich niemand falsch versteht: Regulierung macht grundsätzlich schon Sinn. Aber man sollte Dinge auch mal zu Ende denken. Und manchmal darf man uns mündigen Bürgern auch zutrauen, Risiken selbst abschätzen zu können. Die Art von Regulierung jedenfalls ist eine Art von Bevormundung, die wir uns sparen sollten, frei nach Mephistopheles: „Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.“

Das Land der untergehenden Zinsen

Im Jahr 1963 hat der Meteorologe Edward Lorenz durch Zufall herausgefunden, welch großen Unterschied es machen kann, ob man bei der Berechnung einer langfristigen Prognose die vierte Stelle hinterm Komma berücksichtigt oder weglässt. Die Chaostheorie war geboren – und mit ihr der viel zitierte Schmetterlings-Effekt: Ein Schmetterling, der in Shanghai mit seinen Flügeln wackelt, könnte einen Wirbelsturm in New York auslösen.

Wir erleben seit einigen Jahren sehr eindrücklich, wie Ziffern hinterm Komma dazu führen können, dass Billionenvermögen von einem Kontinent auf den anderen stürmen. Deshalb sollte man auch als europäischer Investor aufhorchen, wenn die Bank of Japan (BoJ) in Tokio mit ihren Flügeln wackelt.

In einer Stellungnahme nach ihrer jüngsten Sitzung hat die japanische Notenbank angekündigt, man werde zukünftig verstärkt die Zinsstruktur im Auge behalten, sprich einen Anstieg der Zinsen am langen Laufzeitende und somit einen „normalen und steileren Verlauf“ der Zinsstrukturkurve anstreben. Dadurch würden Geldanlagen in Abhängigkeit ihrer Laufzeit dann wieder attraktiver verzinst werden.

Kondensiert man diese blumigen Ausführungen auf ihre Kernaussage, bleibt ein Satz übrig, der nichts anderes ist als eine finanzpolitische Revolution: Die Zinsen in Japan werden bald steigen.

Hallo?

Seit 27 Jahren streben die Zinsen in Japan gegen Null, teilweise sogar darunter. Die BoJ nutzt die negativen Zinsen und kauft in großem Stile japanische Staatsanleihen auf. Sie betreibt damit direkte Staatsfinanzierung. Erst im März dieses Jahres hat Japan bei der Versteigerung zehnjähriger Anleihen mit Minus-Renditen umgerechnet knapp 20 Milliarden Euro verdient. Wohlgemerkt: verdient! Und jetzt das? Steigende Zinsen? Warum?

Offensichtlich hat irgendjemand in Tokio bemerkt, dass die fortdauernde Null- oder sogar Negativzinspolitik unangenehme Nebenwirkungen haben kann – ohne dass die Primärziele überhaupt erreicht werden. Die Inflation springt nicht wie gewünscht an, die Wirtschaft kommt nicht in Schwung, und der Aktienmarkt tritt seit 25 Jahren de facto auf der Stelle. Vielleicht könnte ja eine Trendumkehr bei den Zinsen auch eine Trendumkehr bei der Konjunktur bedeuten. Der BoJ jedenfalls scheint die Idee wohl so gut zu gefallen, dass sie den Umkehrschub einschalten will.

Es könnte Signalwirkung haben, mehr noch als die angekündigte Zinswende in den USA. Denn Japan gilt bekanntermaßen Mario Dragi als Vorbild. Vielleicht kommt er ja ins Grübeln. Es wäre dringend nötig. Denn seine Minuszinspolitik schleift die europäische Finanzindustrie und betrifft mittlerweile immer mehr Privatkunden: Die Banken geben die negativen Einlagenzinsen nämlich direkt weiter. Auch die zweite Säule unserer Finanzbranche – die Versicherungen – leidet mehr und mehr unter den Niedrigzinsen. Folge: Die Prämien werden erhöht. Private Krankenversicherungskunden werden das in den kommenden Wochen schmerzhaft zu spüren bekommen.

Ich bin jedenfalls gespannt, ob zum Kirschblütenfest im kommenden März in Tokio die Schmetterlinge mit ihren Flügeln wackeln. Mit etwas Glück lösen sie keinen Sturm, sondern eine warme Brise bei uns aus.