Jeder Anleger, der sich für das Thema Börse interessiert, kennt den DAX und den Dow Jones Industrial Index und vielleicht auch noch einige andere Aktien-Indizes. Aber was sagen deren Kurse wirklich aus? Lohnt es sich, Indizes blind zu vertrauen und in passive Investments zu investieren?
Das Versprechen von sogenannten passiven Investmentprodukten klingt auf den ersten Blick einleuchtend: Wer als Anleger in einen bestimmten Markt investieren will, muss sich einfach nur am jeweiligen Leitindex orientieren. Index-Fonds oder ETFs als dazu passende Verbriefungsform sind in den meisten Fällen zudem preiswerter als aktiv gemanagte Fonds und unkomplizierter als die Investition in einzelne Aktien.
Die Indizes, um die es dabei geht, werden von Anlegern jedoch selten hinterfragt. Denn die Idee eines Aktien-Index klingt ja einfach: Aktien-Indizes fassen die Kursentwicklung wichtiger Unternehmen zusammen und sollen so die Stimmung der Anleger wiedergeben. Steigt ein Index, ist die Börsenstimmung also eher optimistisch. Fällt ein Index, dann sind die Anleger pessimistisch.
Indizes sagen nicht (!) mehr als tausend Worte
Ist es tatsächlich so einfach? Sagen uns Indizes wirklich, wie es um die Befindlichkeit der Aktionäre steht? Nein, nicht ganz. Manche Indizes flunkern ein bisschen, andere lügen wie gedruckt. Der DAX beispielsweise flunkert ein wenig: Bei der Berechnung des DAX werden die Aktienkursentwicklungen und Dividendenzahlungen der 30 größten Aktiengesellschaften berücksichtigt. Die Gewichtung der einzelnen Titel im Index hängt von ihrer jeweiligen Marktkapitalisierung ab. Doch gerade der Blick auf die Marktkapitalisierung führt zu einer unglaublich engen Marktbetrachtung: So sind die sieben größten DAX-Unternehmen an der Börse derzeit mehr wert als der komplette Rest. Deshalb sind es wohl nur zehn oder elf deutsche Unternehmen, die den Ausschlag geben, ob der DAX steigt oder fällt. Und das wird als Maßstab für die Börsenstimmung im Deutschland herangezogen! Aber es geht noch schlimmer.
Der Dow Jones Industrial Index: Der größte Lügner unter der Sonne
Auch beim Dow Jones Industrial Index blickt die Welt auf 30 Einzeltitel, die so genannten Blue Chips, die darüber Auskunft geben, wie gut oder schlecht die Stimmung an der Wall Street ist. Auch bei diesem Index sind die Gewichtungen der einzelnen Indexmitglieder nicht gleich verteilt. Konkret: Im Dow Jones werden einfach die Werte von 30 ausgewählten Aktien zusammengezählt und wieder durch 30 geteilt. Streng genommen ist der Dow Jones also gar kein Index, sondern ein simpler Durchschnittswert. Entscheidend für die Gewichtung im Index ist weder die Marktstellung eines Unternehmens noch seine Marktkapitalisierung, sondern allein der aktuelle Tageskurs der Aktie. So kann ein Unternehmen, das eine vergleichsweise geringe Marktkapitalisierung gegenüber anderen Index-Mitgliedern hat, trotzdem eine größere Rolle im Index spielen, wenn der betreffende Kurs der einzelnen Aktie einen höheren Wert hat. Der weltberühmte US-amerikanische Dow Jones Index flunkert also nicht nur. Er ist der größte Lügner unter der Sonne. Es ist deshalb keine Ausnahme, dass der „Dow“ sinkt, während die Kurse des gesamten US-Aktienmarktes im Durchschnitt steigen – oder umgekehrt.
Was lernen wir daraus?
Die oben genannten beiden Beispiele sind sogar noch harmlos im Vergleich zu manch anderem Aktienindex, in dem manchmal nur ein oder zwei große Unternehmen den Ausschlag geben, ob der jeweilige Index steigt oder fällt. Deshalb sollten Anleger Indizes durchaus kritisch sehen. So einfach und populär ein Index auch sein mag, so wenig besteht er oft vor dem Lügendetektor.
Es gibt bestimmt bessere Thermometer, um das Börsenfieber zu messen. Dazu zählen zum Beispiel Fondszuflüsse. Das sind die Gelder, die Anleger neu in Fonds investieren und die dann natürlich über die Fondsgesellschaften wieder in Aktien investiert werden. Und mehr Geld in Aktien bedeutet steigende Kurse auf breiter Front.
Auch lohnt ein Blick auf die einzelnen Unternehmen in einem Index: Welches sind die Unternehmen mit dem größten Einfluss auf die Indexentwicklung? Welche Marktstellung, welche Geschäftsmodelle haben diese Unternehmen, werden sie gut geführt? Welche Risiken drohen? Gibt es im direkten Vergleich Konkurrenz-Unternehmen außerhalb des Index, die besser aufgestellt sind? Im Ergebnis einer solchen Betrachtung kann es sich lohnen, den Index nur als Richtschnur, als sogenannte Benchmark, zu nehmen, aber stattdessen in Einzelwerte zu investieren, die in der Summe an der Börse bessere Chancen haben.
Fazit: Natürlich ist es bequem, in ein passives Index-Produkt zu investieren. Die meisten Anleger haben in der Regel ja auch weder die Expertise noch die Zeit für aufwändige fundamentale Analysen. Aber dieser Aufwand kann sich unterm Strich lohnen. Die gute Nachricht: Man muss nicht alles selber machen. Dafür gibt es schließlich Profis, die aufmerksam verschiedene Märkte beobachten und die dazu passenden Fonds aktiv managen. Und es gibt Vermögensverwalter, die nicht nur einzelne Märkte, sondern vor allem das Gesamtportfolio ihrer Kunden im Blick haben – inklusive Fonds, einzelnen Aktien und anderen Anlageklassen im Depot. Auch Index-Produkte können in einem solchen Portfolio Sinn machen – aber nur dann, wenn man genau weiß, was drinsteckt.