Warum der ETF-Boom nicht endlos weitergehen kann

Die Emittenten von ETFs verdienen mit ihren Standard-Produkten nur wenig Geld. Deshalb legen sie ständig neue, immer kompliziertere ETFs auf, die mit dem Ursprungsgedanken nur noch wenig zu tun haben. Diese Produkte überzeugen nur selten – nicht zuletzt eben aus dem Grund, weil sie zu teuer sind und Anlegern wenig Mehrwert bieten.

Grundsätzlich ist nichts gegen Finanzinnovationen einzuwenden. Vor allem, wenn sie Anlegern tatsächlich neue Investitionsmöglichkeiten bieten, die diese vorher noch nicht hatten. Das kann zum Beispiel ein ETF leisten, der Anlegern die Möglichkeit eröffnet, in einen Markt zu investieren, der aufgrund von nationalen Zugangshemmnissen keine Direktinvestitionen erlaubt. Das kann auch ein ETF sein, der in Wertpapiere eines neuen Index investiert, der in der einen oder anderen Form einen Mehrwert gegenüber traditionellen Indizes verspricht.

Ob solche neuen Indizes oder die betreffenden ETFs diese Versprechen halten, ist eine andere Sache. Das muss die Zukunft zeigen. Kosten und Nutzen müssen aber auf jeden Fall im richtigen Verhältnis zueinander stehen.

Echte Innovationen statt unnötiger Versteckspiele

Als Vermögensverwalterin beobachte ich die Entwicklung aufmerksam. Meine Erfahrung zeigt mir: Wenn Produkte ihr Versprechen nicht halten und/oder zu teuer sind, verschwinden sie schnell wieder vom Markt. Das ist tröstlich.

Trotzdem ärgere ich mich zuweilen. Und zwar nicht über unnötige oder überteuerte Produkte, sondern über die Vermarktung einiger ETFs. Denn leider steckt nicht immer das drin, was der Name eines Produkts erwarten lässt. So weisen direkt miteinander konkurrierende ETFs manchmal sehr unterschiedliche Kennzahlen aus. Dazu zählt beispielsweise auch die Volatilität. Diese steht aber in der Regel nicht für sich alleine, sondern muss ins Verhältnis zur Performance des Produkts und der Vergleichsgruppe gesetzt werden. Wer solchen Vergleichen ausweichen will, dem darf man unterstellen, dass er etwas zu verbergen hat.

Insofern kann man zumindest sagen: Innovationen, die nur darin bestehen, dass neue Indizes als Benchmark geschaffen werden, um einen Vergleich mit Konkurrenzprodukten zu erschweren, braucht der Markt definitiv nicht.

ETFs gezielt einsetzen

Welche ETFs dagegen die „richtigen“ sind, lässt sich leider nicht pauschal beantworten. Nur so viel lässt sich sagen: Die Produkte müssen zu den Zielen und zur Risikoneigung des jeweiligen Anlegers passen und die Renditevorgaben erfüllen. Die Herausforderung besteht darin, aus der Vielzahl der angebotenen Produkte die richtigen herauszufiltern. Grundsätzlich meiden wir als Vermögensverwalter dabei komplexe Strukturen.

Wir müssen schon verstehen können, wie ein Produkt im Detail funktioniert. Und da gilt: Je einfacher, desto transparenter, desto kalkulierbarer und damit umso besser passgenau verwendbar. Wir analysieren die Risikostrukturen der einzelnen Produkte und Wertpapiere sehr detailliert. Und natürlich schauen wir auf die Kosten. Hier sind nicht nur die für die Kunden transparenten Kosten entscheidend, sondern auch die internen Kosten der ETFs.

Ein Blick in die Zukunft: das absehbare Ende des ETF-Booms

ETFs bieten unübersehbare Vorteile. Nach jetzigem Stand der Dinge gehe ich deshalb davon aus, dass der ETF-Markt mittelfristig weiter wächst. Ein Blick über den Teich genügt, um den Trend zu erkennen. In den USA steckt mittlerweile mehr als die Hälfte des verwalteten Vermögens in passiven Produkten, Tendenz weiter steigend.

Aber ich habe Zweifel daran, dass das noch ewig so weitergeht. Denn angesichts der starken Entwicklung hin zu passiven Produkten stellt sich zwangsläufig irgendwann die Frage: Was passiert, wenn der deutlich überwiegende Teil des angelegten Vermögens an den Wertpapiermärkten in passiven Produkten steckt? Dann bestimmen immer weniger aktive Marktteilnehmer mit immer geringerem Anlagevolumen die Richtung und lösen bei passiven Fonds Kauf- oder Verkaufswellen aus, denen nicht mehr eine adäquate Verkäufer- beziehungsweise Käufermenge gegenübersteht.

Überspitzt formuliert bedeutet das: Setzt sich der Trend hin zu passiven Produkten ungebremst fort, kommt es irgendwann zu einem Punkt, an dem die Volatilität systembedingt stark ansteigt und der Markt unsicherer wird.
Wer behauptet, aktives Management sei zu teuer, sollte diesen Aspekt in seine Kalkulation einbeziehen.