Immobilienkredit-Richtlinie: falsches Gesetz zur falschen Zeit

„Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und oft das Böse schafft.“ So oder ähnlich – frei nach Goethes Faust  – fühlt es sich oft an, wenn Politiker neue Ideen zur Finanzmarktregulierung entwickeln. Im schlimmsten Fall setzen sie ihre Ideen sogar um. So geschehen im Frühjahr dieses Jahres. Mit der jüngsten Immobilienkredit-Richtlinie, die am 21. März 2016 in Kraft getreten ist, will der Staat die Kreditvergabe von Banken an Privathaushalte besser steuern. Das ist angeblich gut gemeint. Aber für wen eigentlich?

Diejenigen, die Finanzierungen suchen, laufen immer öfter gegen verschlossene Türen

Gerade junge Familien und ältere Bürger bekommen kaum noch Finanzierungen fürs Eigenheim. Denn bei der Bemessung des Kreditrisikos spielt das Verhältnis von Kredithöhe zum Preis des Kaufobjekts oder gar eine Rentabilität im Vergleich zur Mietwohnung nur noch eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist die Prognose, ob die Kreditnehmer bis zum Laufzeitende des jeweiligen Kredits in der Lage sind, ihre Zahlungen leisten zu können.

Solch eine Prognose ist aus Sicht der Banken de facto ein Blick in die Glaskugel. Lebensläufe sind heutzutage nicht mehr vorherzusehen. Ein nicht abschätzbares Risiko aber bedeutet nach dem neuen Gesetz eine Finanzierungsabsage. Die Konsequenz lässt sich bereits an aktuellen Zahlen ablesen: Einer Umfrage des Bundesverbands Freier Wohnungsunternehmen (BFW) zufolge nehmen 80 Prozent der befragten Immobilienunternehmen die Auswirkungen der verschärften Wohnimmobilienkreditrichtlinie beim Abverkauf wahr. 40 Prozent der Unternehmen berichten von kurzfristigen Absagen der Verbraucher aufgrund eines negativen Kreditbescheides. Sparkassen aus den südlichen Bundesländern berichten, die Kreditvergabe für Immobilien sei teilweise um bis zu 30 Prozent eingebrochen.

Für Banken und Sparkassen ist das neue Gesetz geschäftsschädigend

Gerät ein Kreditnehmer in Zahlungsschwierigkeiten, kann er gemäß der neuen Immobilienkredit-Richtlinie unter Umständen die Bank verklagen. Diese muss dann beweisen, dass sie den Kredit nicht fahrlässig vergeben hat. Deshalb handeln viele Banken nach dem Motto: Lieber einen Kredit nicht gewähren, als hinterher für ihn haften zu müssen. Folge: Das Geschäftsvolumen geht zurück.

Volkswirtschaftlich macht die Richtlinie überhaupt keinen Sinn

Auf der einen Seite bemüht sich Mario Draghi ernsthaft darum, Geld in den europäischen Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Und auf der anderen Seite behindern die Regulierer mit der Immobilienkredit-Richtlinie die Kreditvergabe. Auf der einen Seite kämpft die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles, gegen die drohende Altersarmut vieler Bürger und präsentiert dabei so halbgare Ideen wie das staatliche Aufpeppen der Betriebsrente. Auf der anderen Seite schmeißen die übereifrigen Regulierer Anlegern, die Wohneigentum schaffen wollen, Knüppel zwischen die Beine, anstatt sie bei ihrem Vermögensaufbau zu unterstützen.

Damit mich niemand falsch versteht: Regulierung macht grundsätzlich schon Sinn. Aber man sollte Dinge auch mal zu Ende denken. Und manchmal darf man uns mündigen Bürgern auch zutrauen, Risiken selbst abschätzen zu können. Die Art von Regulierung jedenfalls ist eine Art von Bevormundung, die wir uns sparen sollten, frei nach Mephistopheles: „Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.“